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DIE DEUTSCHE SPRACHE IN LITERATUR, GESELLSCHAFT UND POLITIK
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Deutsch aus dem FF oder FFF?
Schiffahrt und Brennessel

DEUTSCH AUS DEM FF ODER FFF?

Die Rechtschreibreform von 1996 ist zwar gemildert worden, entfaltet aber in ihrer modifizierten Form von 2006 immer noch Unheil. Kein Wunder, dass Verlage ihre eigenen Wege gehen und die Regeln nach eigenem Ermessen abändern. Damit ist die Einheitlichkeit der Schreibungen, die grundsätzlich erwünscht ist, nur aufgeweicht worden. Was zu denken gibt, ist, dass sich gegen dieses Regelmachwerk außer einigen Intellektuellen niemand aufgelehnt hat, obwohl die neuen Regeln nicht einfacher sind, sondern Einfachheit vortäuschen.
1. Was die meisten nicht für möglich gehalten hätten, ist eingetroffen: Heute wird nach dem offiziellen Regelwerk so viel groß geschrieben wie seit Luther nicht. Ökonomisch ist das nicht, wenn beim Tastaturschreiben – und das ist ja heute das Übliche – noch öfter die Umstelltaste gedrückt werden muss. 
2. Im Deutschen gibt es jetzt, was sonst in keiner mir einigermaßen bekannten europäischen Sprache vorkommt – und ich kenne ziemliche viele davon:  drei gleiche Konsonanten hintereinander. Davon weiter unten mehr.
3. Was schon lange zusammengehört hat, wird plötzlich getrennt: wir sollen uns nicht mehr wohlfühlen, sondern wohl fühlen. Seither ist diese Trennsucht gedämpft worden, und die Verwirrung ist noch größer als zuvor.
4. Die traditionellen Regeln für die Zeichensetzungen sind zugegebenermaßen ziemlich grammatiklastig. Nun aber soll man nicht wie in vielen Sprachen nach einfachen Regeln und nach Gefühl die Zeichen setzen, sondern nach Regeln, welche das Komma vor und sowie vor Infinitivsätzen weitgehend fakultativ machen, aber noch lange nicht immer. Die Regeln sind dadurch nicht viel einfacher, aber weniger fassbar geworden.
Was für Schlüsse können aus dieser Geschichte gezogen werden?
1. In einem Zeitalter der mündigen Bürgerinnen und Bürger hat nicht der Staat zu verordnen, wie Wörter geschrieben und Satzzeichen gesetzt werden. Das ist Sache der Verlage, die aufgrund von Konsens zu sinnvollen Lösungen kommen. In den angelsächsichen Ländern ist das seit Jahrhunderten so.
2. Die Deutschen und die Schweizer sind leider weiterhin zu obrigkeitshörig. Außer wenigen Intellektuellen (u.a. eben in Verlagen) hat sich niemand gegen das Regelmachwerk aufgelehnt. Mehr freies Denken ist wünschenswert.

Leidige Dreifachkonsonanten

In unserem Zeitalter des vorwiegend schmucklosen kubischen Bauens ist die neue barocke Inflation der dreifachen Konsonanten bemerkenswert. Sie behindert den Schreibfluss und beeinträchtigt das Schriftbild ästhetisch.
Namen von Unternehmen sind von dieser Regeländerung nicht verschont geblieben. Bis vor kurzem war es üblich, Namen von Unternehmen und Vereinen nicht an Neuerungen in der Rechtschreibung anzupassen: Es heißt immer noch Automobil Club der Schweiz (ACS) und nicht Automobilklub der Schweiz (AKS oder AkS), Schweizer Alpen-Club SAC und nicht Schweizer Alpenklub (SAK). Vielleicht hat zur Beharrung beigetragen, dass diese Vereine auch französische und italienische Namensformen haben, im Falle des SAC auch eine englische. Doch nun heißt es Bielersee-Schifffahrts-Gesellschaft AG und Schifffahrts­gesellschaft des Vierwaldstättersees (SGV) AG.
Die damalige Kommission wollte die Regeln vereinfachen und transparent gestalten. Sie beschloss, die Schreibung von drei gleichen Konsonanten in zusammengesetzten Wörtern auf die Fälle auszudehnen, wo in einer Wortzusammensetzung zwei gleiche Konsonanten des Bestimmungswortes auf denselben Konsonanten und einen folgenden Vokal treffen.
Beispiele:
Gewinnummer (aus Gewinn und Nummer > Gewinnnummer
Ballettänzer (aus Ballett und Tänzer > Balletttänzer
Aus Schiff + Fahrt entsteht das Kompositum Schifffahrt; die beiden Teile der Zusammensetzung bleiben erhalten.
Doch manchmal geht diese simple Formel nicht auf. Die Brennnessel ist eine Nessel, die brennt, aber das Wort *Brenn gibt es nicht als Nomen oder Adjektiv, und der Imperativ des Verbs brennen kann ja nicht gemeint sein. Die Wolllaus hat mit Wolle und Laus zu tun, aber das Nomen heißt nicht *Woll. Diese neue Regel ist nicht sinnvoll, und sie ist auch eine Fehlerquelle, denn wie leicht geht einer drei Konsonanten verloren!

Folgerung: Nur noch zwei gleiche Konsonanten nacheinander

Ich verzichte deshalb auf die Schreibung von drei gleichen Konsonanten hintereinander, außer in Abkürzungen. Daran kann mich kein Regelwerk hindern. Ich mache der SOK beliebt, diese einfache Regel in ihre Empfehlungen zu übernehmen.
Wir schreiben vor Vokalen wie vor 1996 nur zwei gleiche Konsonanten:
Ballettänzer
Bestelliste
Bettuch (das ist kein Gebetstuch!)
Brennessel
Eisschnellauf
Flanellappen
Schiffahrt
Schrittempo
stillegen
wetturnen
Wollaus
Neu vermeiden wir auch drei gleiche Konsonanten vor einem weiteren Konsonanten:
Ballettruppe
fettriefend
Kunststoffenster
Papplakat
Sauerstofflasche
In Zusammensetzungen mit s ist es ein wenig komplizierter. In Deutschland galt bis 1996 offiziell die Adelungsche Regel, seit 1996 gilt die Heysesche. Diese war auch früher schon einmal eingeführt worden. In der Schweiz wird das ß fast nur im Buchdruck verwendet. Wenn dreifaches s vermieden werden soll, ergeben sich folgende Regeln:

nach Adelung

nach Heyse*

meine Empfehlung für die Schweiz

 

 

 

Eßsaal

Essaal

Essaal

Maßstab

Maßstab

Masstab

Flußschiffahrt

Flusschiffahrt

Flusschiffahrt

Gußstahl

Gusstahl

Gusstahl

Streßsituation

Stressituation

Stressituation

* nach Heyse kein ß nach kurzem Vokal

Wenn man der Heyseschen Regel folgt (also neu dass, Fluss, aber Maß, fließen, Fleiß), dann muss man konsequenterweise zu Essaal und Gusstahl übergehen. Die Heysesche Schreibung überzeugt mich nicht ganz; das Eszett am Silbenschluss ergibt eben auch Sinn und gliedert die Wörter gut. Vielleicht ist das aber ein alter Zopf.

SILBENTRENNUNG
NACHTRAG ZU DEUTSCH AUS DEM FF ODER FFF? (1/2019)
)

Dreifachkonsonanten tilgen
Die Rechtschreibung von 1998 hat uns im Zeitalter der Null- und Negativzinsen und der geringen Geldentwertung (jedenfalls im Euro- und Frankenraum) eine Inflation von großen Anfangsbuchstaben und Dreifachkonsonanten beschert.
Die damalige Kommission wollte die Regeln vereinfachen und transparent gestalten und kam zu dem fragwürdigen Ratschluss, in zusammengesetzten Wörtern, wo zwei gleiche Konsonanten des Bestimmungswortes und derselbe Konsonant des Grundwortes aufeinandertreffen, in allen Fällen gleich drei Konsonanten zu schreiben.
Beispiele:
Gewinn und Nummer > Gewinnnummer
Ballett und Tänzer > Balletttänzer
Schiff + Fahrt > Schifffahrt
Eine ähnliche Regel für die Häufung gleicher Konsonanten in Zusammensetzungen gibt es in keiner der mir vertrauten oder doch einigermaßen bekannten Sprachen. Natürlich sind die Voraussetzungen in den einzelnen Sprachen unterschiedlich, dennoch ergibt sich für das Deutsche ein zweifelhaftes Alleinstellungsmerkmal. Auf Schwedisch schreibt man ohne weiteres papplakat und brännässla (was natürlich Papplakat und Brennessel heißt). Getrennt wird selbstverständlich zwischen den gleichen Konsonanten: pap-plakat und brän-nässla. Das stört niemanden, obwohl Pappe auf Schwedisch papp heißt und – ja, wie heißt denn im zweiten Falle das Bestimmungswort eigentlich?
Die vermeintlich simple Formel geht eben nicht auf. Die Brennnessel ist zwar eine Nessel, die brennt, aber das Wort *Brenn gibt es nicht als Nomen oder Adjektiv, und der Imperativ des Verbs brennen kann ja nicht gemeint sein. Die Wolllaus hat mit Wolle und Laus zu tun, aber das Nomen heißt nicht *Woll. Diese neue Regel ist nicht sinnvoll, und sie ist auch eine Fehlerquelle, denn wie leicht geht einer drei Konsonanten verloren!  Wir verzichten deshalb lieber auf die Schreibung von drei gleichen Konsonanten hintereinander, außer allenfalls in Abkürzungen.

Wie trennen wir aber diese Wörter am Zeilenende?
Machen wirs nicht „den Schwalben nach“, aber vielleicht den Schweden.
Wie im Schwedischen sind im Deutschen in Schreibungen von Wörtern auf Vokal+Konsonant Länge und Kürze nicht ganz eindeutig zu erkennen.  In den folgenden Beispielen sind geläufige alte deutsche Wörter zu finden, aber auch Lehnwörter aus dem Englischen und aus dem Latein:

Vokal kurz ausgesprochen

Vokal lang ausgesprochen

das, was, As (Ton), Bus

genas, las (Verben); Gas, Fas

Log (Schiffahrt), Smog (Nebel)

log, trog (Verben); Sog, Trog

Set, Cis, Sprit, Hit,

Rat, Gebet, Paris, Lot, gut

Beim Trennen kann man sich natürlich auf den Standpunkt stellen, dass die Bestandteile einer Zusammensetzung nicht in ihrer Schreibung angetastet werden sollen. Dann müsste in der Tat wie gehabt folgendermaßen getrennt werden: Schiff-fahrt, Schnell-lauf, Kunststoff-fenster. Wir trennen aber bei Ableitungen ohne Zögern Schif-fe, Schif-fer, schif-fen; schnel-le, schnel-len; Stof-fe. Eine konsequente Schreibung ist also auf diese Weise jedenfalls nicht zu erreichen. Bei Brennessel und Schiffahrt z.B. ist auch zu beachten, dass im Hochdeutschen n und f in diesen Wörtern kurz ausgesprochen werden. In Brennessel ist das n auch in meinem Berner Dialekt kurz, in Schiffahrt ist das f wohl etwas länger, wird aber nicht zweimal angesetzt – dreimal schon gar nicht. In den folgenden Wörtern ist im Hochdeutschen eigentlich nur in Schrittempo und Wetturnen ein langes t zu hören.
Ich neige dazu, am Zeilenende auch nur einen Konsonanten des Bestimmungswortes zu schreiben. Dieses Prinzip lässt sich leicht in Worttrennungsprogrammen umsetzen. Doch warum sollen wir nicht erlauben, dass in der Silbentrennung der gestrichene Konsonant wiederauflebt? Wir sind ja hoffentlich eine Gesellschaft von mündigen Leuten!
Zum Schluss ein paar Beispiele:

Silbentrennung wie vor 1998

Silbentrennung wie auf Schwedisch

Ballett-tänzer

Ballet-tänzer

Brenn-nessel

Bren-nessel

Eisschnell-lauf

Eisschnel-lauf

Schiff-fahrt

Schif-fahrt

still-legen

stil-legen

Wett-turnen

Wet-turnen

Woll-laus

Wol-laus

Kunststoff-fenster

Kunststof-fenster

Papp-plakat

Pap-plakat

Wörter mit ss bzs. ß

nach Adelung

nach Heyse

in der Schweiz

Eß-saal

Es-saal, Ess-saal

Ess-saal, Es-saal

Maß-stab

Maß-stab

Mass-stab, Mas-stab

Guß-stahl

Gus-stahl, Guss-stahl

Guss-stahl, Gus-stahl

Streß-situation

Stress-situation, Stress-Situation, Stres-situation

Stress-situation, Stress-Situation

Da es Neuerungen schwer haben, wird sich eher die Wiederherstellung des dritten Konsonanten in der Worttrennung durchsetzen.  rww

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