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DIE DEUTSCHE SPRACHE IN LITERATUR, GESELLSCHAFT UND POLITIK
Freiburg - Reichengasse
Bern - Altstadt mit M�nster von der Schwelle aus
Biel - Brunngasse
Zweisprachigkeit und Politik

PLAIDOYER FÜR EINE VERGESSENE MINDERHEIT:
DIE DEUTSCHSPRACHIGE BEVÖLKERUNG IM BERNER JURA
(Bericht an den Europarat, Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen, Straßburg)
Natürlich darf dabei der Minderheitenschutz nicht vergessen werden, denn je kleiner eine Minderheit ist, umso stärker muss sie geschützt werden.
(Bericht der Expertenkommission über die Zweisprachigkeit, S. 5, 23, 31, 107.)

Der Berner Jura wird politisch und weitgehend auch rechtlich als einsprachiges Gebiet behandelt, also ob er ebenso eindeutig französischsprachig wäre wie etwa das Emmental deutschsprachig. Dieses Bild entspricht nicht der Wirklichkeit. Im Berner Jura gibt es von alters her eine deutschsprachige Minderheit, die seit gut siebzig Jahren zunehmendem Assimilationsdruck ausgesetzt ist. In der Hoffnung, damit die Sezession des Nordjuras zu vermeiden, hat der Kanton Bern aktive Assimilationspolitik betrieben. Der Kanton Jura ist dennoch entstanden, aber der Kanton Bern hat seine Politik gegenüber der deutschsprachigen Minderheit im verbliebenen Berner Jura nicht geändert. Diese Minderheit ist lange als Störfaktor empfunden worden, und ihre zumindest politische Liquidation scheint kurz vor dem Abschluss zu stehen. Wir können aber davon ausgehen, dass viele Leute der mittleren und jüngeren Generation, auch Politiker, diese Minderheit überhaupt vergessen haben. Im Bericht der Expertenkommission über die Zweisprachigkeit wird sie kaum erwähnt. Das ist nicht weiter verwunderlich, denn die Expertenkommission wurde von Vertretern der französischsprachigen Bevölkerung dominiert, welche vor allem ihre eigenen Interessen verfochten und kaum Verständnis aufbringen konnten für die Minderheit innerhalb des Siedlungsgebietes der franzöischsprachigen Minderheit.
Der Kanton fürchtet um seinen Status der Zweisprachigkeit und damit seine Funktion als Brücke zwischen der deutschen und der französischen Sprachgemeinschaft. Mit der neuerlichen Abstimmung über die Kantonszugehörigkeit von Moutier hat er ohne Not eine weitere Ortschaft seines Territoriums zur Disposition gestellt; die Sache ist hängig, weil die Gültigkeit der Abstimmung, die ein recht knappes Ja für den Kanton Jura brachte, zur Frage für die Gerichte geworden ist. Es ist eher wahrscheinlich, dass Moutier den Kanton Bern am Ende doch verlassen wird. Wenn das eintrifft, wird das Verkehrs-, Wirtschafts-, Verwaltungs-, Spital- und Bildungszentrum im Osten des Berner Juras wegbrechen. Das verheißt nichts Gutes. Dafür wirbt die genannte Expertenkommission für die Anwerbung von Romands zur Kompensation des Verlusts an welscher Substanz: Der Kanton "wird auch eine Strategie zur Förderung der Niederlassung von Französischsprachigen im Kanton Bern entwickeln" (Bericht der Expertenkommission, S. 33). Das ist doch ein ziemlich fragwürdiges Ansinnen.
Wenn der Kanton die Zweisprachigkeit fördern will, findet er auf seinem Territorium eine Gruppe, welche dieses Ziel bereits erreicht hat. Allerdings wird diesen Menschen heute kaum geholfen, ihre Fertigkeiten zu vervollkommnen, insbesondere die Kompetenz im mündlichen und schriftlichen Gebrauche der deutschen Standardsprache. Hier soll diese Minderheit in Erinnerung gerufen werden, und zu ihren Gunsten wird gleich eine Reihe von Forderungen gestellt, die anschließend erläutert und begründet werden. Zum Abschluss folgt als Nachsatz ein Abschnitt über die Gemeinde Ederswiler im Kanton Jura, über die in der Presse kaum mehr gesprochen wird.
Chatelat

Chatelat im Kleintal (Petit-Val)
FORDERUNGEN
Mit der Genehmigung, Ratifizierung und Inkraftsetzung der Europäischen Charta der Regional- und Minderheitensprachen 1997/8 hat sich der Bund zu Schutze der Minderheiten verpflichtet. Die alteingesessene deutschsprachige Minderheit des Berner Juras erfüllt die Kriterien, welche in Art. 1 (Begriffsbestimmungen) aufgeführt werden. Daraus leitet der Sprachkreis Deutsch folgende Forderungen ab:

Die amtliche Einsprachigkeit der Verwaltungsregion Jura im Kanton Bern (identisch mit dem Verwaltungskreis Jura) sei zu modifizieren.

1. Regionale Amtssprache
Die französische Sprache hat als Sprache der Bevölkerungsmehrheit  in den meisten Gemeinden Vorrang. Das soll nicht in Frage gestellt werden.

2. Minderheitenschutz
Das Deutsche ist aber seit Jahrhunderten in Gebrauch, auch ununterbrochen seit 1815, als der Berner Jura am Wiener Kongress zum Kanton Bern geschlagen wurde. Dieser Tatsache ist in Verfassung und Gesetzen Rechnung zu tragen: Die deutschsprachige und zweisprachige Bevölkerung, insbesondere auch die Mennoniten oder Täufer, wird als ethnische Minderheit in der Verfassung des Kantons Bern und in einschlägigen Gesetzen anerkannt.
3. Amtssprache der Gemeinden
Die deutsche Amtssprache in den Gemeinden Seehof und Schelten wird gewährleistet; die Gemeinden Rebévelier, Mont-Tramelan und Petit-Val werden zweisprachig, damit den seit eh und je herrschenden sprachlichen Verhältnissen Rechnung getragen wird.

4. Verkehr mit den Behörden; Publikationen; Namen und Beschriftung
4.1. Angehörigen der Minderheit wird die Möglichkeit gegeben, nötigenfalls auch in ihrer Muttersprache mit Behörden zu sprechen (Gemeindebehörde, Zivilstandsamt, RAV usw.). Vom Amtspersonal wird grundsätzlich für alltägliche Geschäfte hinreichende Kenntnis der zweiten Amtssprache erwartet.
Das gilt sinngemäß auch für schriftlichen Verkehr; Einwohner dürfen sich auf Deutsch oder Französisch an die Behörden wenden; die Behörde darf auf deutsche Briefe auch auf Französisch antworten. Für offizielle Formulare der Gemeinde gilt die Amtssprache.
4.2. Angehörige der Minderheit können Biel als Gerichtsort wählen.
4.3. Gemeinden mit Anteil an deutschen Sprachinseln (siehe 5.2.) sind gehalten, die wichtigsten Gemeindegesetze (Gemeindeordnung, Bauordnung und Schulordnung) auch in einer deutschen Version zu veröffentlichen. Auch im Netzauftritt der Gemeinde soll diese Minderheit einen Platz haben.
4.4. Im Bereiche der deutschen Sprachinseln sollen auf Karten und bei Beschriftungen an Ort und Stelle (Wegweiser, Ortstafeln) möglichst die originalen Namen verwendet werden, nicht ans Französische angepasste Schreibungen: Hubel, nicht Le Houbel, wenn französische Übersetzungen vorliegen, soll auch der deutsche Name stehen: Weisshaus/La Blanche.

Fornet-Dessous

Fornet-Dessous

4.5. Gemeinden mit einem traditionell bedeutenden Anteil an deutschsprachigen Einwohnern, auch zweisprachigen (deutsch-französisch), sollen dieser Tatsache Rechnung tragen. Ein angemessener Teil der Webseiten soll auch auf Deutsch erscheinen. Der Name der Stadt La Neuveville ist seit ihrer Gründung zweisprachig. Die doppelte Form La Neuveville/Neuenstadt soll auch auf den Ortstafeln an den Straßen und am Bahnhof erscheinen.

5. Schulen
5.1. In Schelten und in Seehof wird der deutsche Unterricht gewährleistet, gegebenenfalls in einer Gesamtschule mit einer oder zwei kleinen Klassen. Für die Führung einer Klasse wird keine Mindestzahl an Schulkindern vorausgesetzt. Möglich ist auch die Lösung, dass die Kinder von Seehof oder Schelten zusammen mit Kindern aus Nachbargemeinden zweisprachig unterrichtet werden, gegebenenfalls auch in Zusammenarbeit über die Kantonsgrenze hinaus; im Falle von Seehof mit der Gemeinde Vermes, in deren Weiler Envelier (Im Wiler) und umliegenden Höfen auch eine deutsche Minderheit lebt.
5.2. In den großenteils von Mennoniten besiedelten Gebieten, namentlich den Höhenzügen des Berner Juras, sind die bestehenden Schulen zu erhalten; alle Kinder sind im Kindergarten und auf der Primarstufe zweisprachig zu unterrichten. Diese Zweisprachigkeit wird auch Zuzügern zugemutet, deren Kinder noch nicht zweisprachig sind. Diesen wird mit Sonderunterricht geholfen, den Anschluss an die bestehenden Klassen zu schaffen.  Die Schulplanung ist so zu gestalten, dass alle Kinder aus den Sprachinseln zweisprachige Schulen besuchen können, auch wenn sie zum Unterricht ins Tal fahren müssen.
Kapelle in Moron

In der Kapelle der Mennoniten in Moron war bis 1996 auch eine deutsche Schule untergebracht.

Diese Regelung gilt namentlich für die Höhenlagen nördlich des Gestlers (des Chasserals), auf dem Sonnenberg (Montagne du Droit) und auf dem Montoz sowie am Moron.
Auf der Sekundarstufe sollen die Kinder in ihrer Muttersprache weiter in Wort und Schrift gefördert werden. 
5.3. In größeren Gemeinden, so in Saint-Imier, Tavannes und Moutier oder Grandval, sollen zweisprachige Klassen geführt werden.
5.4. Die Gemeinden des Berner Juras an der Sprachgrenze, also La Neuveville, Péry-La Heutte, Sauge und Romont, haben traditionell einen bedeutenden Anteil an deutschsprachigen Einwohnern, auch zweisprachigen (deutsch-französisch); sie fördern die Kinder aus deutschsprachigen Familien in deren Muttersprache(n), indem sie ihnen den Besuch von zweisprachigen oder deutschen Klassen in der eigenen Gemeinde oder in Biel, Ligerz, Twann-Tüscherz oder Lengnau ermöglichen.
Die Kinder sollen die Sekundarschule auf Wunsch in Twann, Biel oder Lengnau besuchen können.

Landschaft bei Rebévelier (Ruppertswiler)

Landschaft bei Rebévelier (Ruppertswiler)

6. Organisation der Minderheit
Der Kanton Bern schafft und finanziert eine Organisation, in der die deutschsprachige und zweisprachige Minderheit im Berner Jura ihre Interessen wahren und vertreten kann, ähnlich der bestehenden Institution CAF (Conseil des affaires fracophones de l’arrondissement de Biel/Bienne). Außerdem soll auch der CJB (Conseil du Jura bernois) die Interessen, Ansprüche und Wünsche der Minderheit angemessen berücksichtigen.
DIE SPRACHLICHE SITUATION
Die Verwaltungsregion Berner Jura entstand 2010 durch die Zusammenfassung der Amtsbezirke La Neuveville (Neuenstadt), Courtelary und Moutier (Münster).
Die offizielle Sprache der Region ist Französisch, nur die kleinen Gemeinden Seehof und Schelten gelten als deutschsprachig.
Im Berner Jura sprechen etwa 18% der Bevölkerung Deutsch oder sind zweisprachig in Deutsch und Französisch. Diese Minderheit hat es in der Geschichte des Kantons Bern seit je gegeben, sie war lange Zeit sogar noch größer als jetzt. Die Bevölkerung des Berner Juras, auch die französischsprachige, ist großenteils deutschbernischer oder solothurnischer Herkunft. Es handelt sich um eine Minderheit von nur etwa 9'000 Einwohnern, aber wie heißt es doch im Expertenbericht über die Zweisprachigkeit zu Handen des Regierungsrates immer wieder? Ja, genau:
Natürlich darf dabei der Minderheitenschutz nicht vergessen werden, denn je kleiner eine Minderheit ist, umso stärker muss sie geschützt werden.
In vier bestehenden Gemeinden spricht eine Mehrheit der Bevölkerung Deutsch als Muttersprache; neben Schelten und Seehof sind es Rebévelier und Mont-Tramelan. Außerdem gibt es in vielen weiteren Gemeinden Minderheiten zwischen 10% und 30%, so in der Fusionsgemeinde Petit-Val (Kleintal), zu welcher auch die ehemalige, mehrheitlich deutschsprachige Gemeinde Châtelat gehört.

La Tanne

Im Weiler La Tanne auf dem Sonnenberg

Eine detaillierte Aufstellung nach Gemeinden ist allerdings wenig sinnvoll, denn die überwiegend landwirtschaftlich, handwerklich und touristisch tätige deutschsprachige Bevölkerung, welche in Höhenlagen sesshaft ist nördlich des Gestlers (des Chasserals), auf dem Sonnenberg (der Montagne du Droit) und auf dem Montoz sowie am Moron, bildet eine Reihe von ziemlich geschlossenen Sprachinseln. Als Minderheit in einer mehrheitlich französischsprachigen Region sind sie heute durchweg zweisprachig, ähnlich wie die romanischsprachigen Bündner, die heute alle auch Deutsch können.
Auch in Neuenstadt und in fast allen Dörfern des Berner Juras gibt es deutschsprachige Minderheiten, die aber als Verkehrssprache meistens das Französische verwenden.

DIE GESCHICHTE DER DEUTSCHSPRACHIGEN
MINDERHEIT
Der heutige Berner Jura und der heutige Kanton Jura haben seit 1815, als das Gebiet des ehemaligen Fürstbistums Basel aufgrund des Wiener Kongresses großenteils zum Kanton Bern kam, stets eine bedeutende deutschsprachige Minderheit gehabt.
Es ist damit zu rechnen, dass schon im Mittelalter die Bevölkerung des späteren Berner Juras ein germanisches Element aufwies. Auf jeden Fall war Deutsch die Sprache des Fürstbischofs von Basel und seiner Verwaltung. Die Dörfer im heutigen Berner Jura und im Kanton Jura haben deshalb alle auch deutsche Namen, oft ist die deutsche Version sogar früher überliefert als die französische.
Die Mennoniten oder Täufer
Die kleine deutschsprachige Minderheit der Mennoniten im Berner Jura geht auf mehrere Einwanderungswellen seit dem 16. Jahrhundert zurück. Der Stand Bern führte bekanntlich die Reformation ein, doch er duldete die Mennoniten oder Täufer nicht, weil sie die Kindertaufe und den Kriegsdienst ablehnten und sich gegen die Staatskirche abgrenzten. Viele Mennoniten fanden im Fürstbistum Basel Zuflucht, wo sie die hochgelegenen Gebiete des Juras besiedelten und den Boden für die Landwirtschaft rodeten und nutzbar machten.

La Tanne - Landschaft

La Tanne

Lange versuchten die Stände Bern und Solothurn zu erreichen, dass der Fürstbischof die Täufer vertrieb. Daraus resultierten auch Erlasse dieses Inhalts, die jedoch nicht durchgesetzt wurden. 1712 fanden Täufer (Mennoniten), die von Ludwig XIV. aus dem Elsass ausgewiesen worden war, im Erzbistum Basel Zuflucht. Von 1740 an verzichtete Bern auf die Verfolgung, und 1767 stellte der Fürstbischof die Glaubensgemeinschaft unter seinen Schutz.
Als die Täufer im Jura 1815 wieder unter bernische Herrschaft gekommen waren, duldete der Kanton sie und respektierte ihre Rechte. Die Täufer erhielten aber wenig Unterstützung vom Kanton und mussten ihre deutschen Schulen selbst finanzieren.

Einwanderung von Bauern und Industriearbeitern im 19. Jahrhundert
Im Hungerjahr 1816 und in den folgenden Jahrzehnten wanderten wiederum viele Bauern in den Jura ein; in den meisten Fällen übernahmen sie Höfe von Leuten, die in die Uhrenindustrie in den Tälern abgewandert waren. Dazu kamen auch Uhrenarbeiter und Mechaniker aus der deutschen Schweiz, die in den Unternehmen Arbeit fanden, die sich in den südjurassischen Dörfern ansiedelten. Biel wurde ein bedeutendes Zentrum der Uhrenindustrie und zog viele französischsprachige Jurassier an.
Um die deutschsprachige Minderheit begann sich die reformierte Landeskirche des Kantons Bern zu kümmern. Bereits 1816 wurde eine deutsch-reformierte Pfarrei in Pruntrut gegründet; der Pfarrer predigte auch in Delsberg. In den Amtsbezirken Courtelary und Münster kamen bald weitere deutschsprachige Kirchgemeinden dazu, und so wurde die Landeskirche zu einer wesentlichen Stütze der Deutschberner.
Es wurden auch eine Reihe staatlicher und privater Schulen gegründet. Der Grund dafür war jedoch nicht ein Drang zur „Germanisierung“ des Juras, sondern die pragmatische Einsicht, dass die Kinder dem französischen Unterricht nicht hätten folgen können, weil in ihrem Umfeld kein Französisch gesprochen wurde.  Um 1830 wohnten in den Amtsbezirken Courtelary und Moutier (Münster) 2500 deutschsprachige Reformierte, und ihre Zahl sollte noch zunehmen. 440 Kinder besuchten deutschsprachige Schulen. Es war die Zeit, als der allgemeine Schulunterricht durchgesetzt wurde, und das Angebot wurde im Laufe des 19. Jahrhunderts noch ausgeweitet.
Allerdings kamen die deutschen Schulen in den Dörfern seit 1864 unter Druck und gingen ein oder wurden – auch auf Druck der Kantonsregierung - in französische umgewandelt. Die Gründe: geringe Unterstützung durch die Behörden, deshalb prekäre Finanzlage, ungenügende Lokale, schlechte Löhne. Die Ortsbehörden besoldeten die Lehrer in den französischen Schulen bis zu viermal besser. Der Verlust der eigenen Schulen wurde dadurch etwas abgefedert, dass an der Oberschule vier bis fünf Stunden Deutsch unterrichtet wurde. Immerhin waren deutsche Gesangsvereine gegründet worden, “in denen auch schon halb und fast ganz verwelschte Nachkommen mitmachen können und da noch eine Ahnung davon bekommen, was sie ihren Vorfahren verdanken. Nur die Schulen der Täufer konnten sich dank ihrem opferfreudigen Einsatz halten.“ (Aeberhard, S. 8) Noch lange blieben jedoch die deutschen Kirchgemeinden eine Stütze der sprachlichen Minderheit im Berner Jura.

Rebévelier (Ruppertswiler)

Bauernhaus in Rebévelier (Ruppertswiler)

Die Sprachgruppen wurden durch Wanderungsbewegungen im Laufe der wirtschaftliche Entwicklung im damaligen Berner Jura und im Amtsbezirk Biel stark durchmischt. Die Volkszählung von 1888 weist für die Amtsbezirke Delsberg, Münster und Courtelary einen Drittel Deutschsprachige aus. Im Amtsbezirk Biel erreichte der welsche Anteil 1888 22,1%; er stieg bis 1919 auf 34,6%. Während im Berner Jura die deutschsprachige Minderheit durch Assimilation langsam abnahm, behielten die Welschberner in Biel ihre Sprache und konnten diese dank öffentlichen französischen Schulen und einem zunehmenden Gebrauch des Französischen als Amtssprache stützen.

Harzer auf dem Montoz

Hotel und Gastwirtschaft Harzer/Pré Richard auf dem Montoz

Immerhin: Trotz der kantonalen Assimilationspolitik zugunsten des Französischen gab in der Volkszählung von 1960 immerhin noch ein Fünftel, im Amtsbezirk Neuenstadt sogar ein Viertel der Bevölkerung Deutsch als Muttersprache an. Seither ist ein weiterer Rückgang zu verzeichnen. Dieser ist zurückzuführen einerseits auf den Wegzug von Deutschschweizern wegen der politischen Spannungen und der zunehmenden Feindlichkeit gegenüber Deutschschweizern sowie auf Abwanderung wegen der Krise in der Uhrenindustrie seit 1975, anderseits auf fortgesetzte Assimilation der Kinder und deren Familien durch die Schule. Auch die Regionalzentren mit ihren Arbeitsplätzen und die Vereine spielen eine Rolle.
Im 20. Jahrhundert erfasste die kantonale Politik der Romanisierung auch die Mennoniten, die sich selbst stark über ihre deutsche Sprache identifizierten. Auch in der deutschsprachigen Literatur zur Sprachenfrage wird stets auf die Germanisierungsversuche im Jura und die Furcht davor auf welscher Seite hingewiesen. Das nachhaltige Vordringen der französischen Sprache nach Biel wird hingegen in der Regel nur beiläufig erwähnt. Wie selbstverständlich finanzierte die Stadt den französischen Schulunterricht. Nicht herausgearbeitet wird die Asymmetrie, dass auf Deutschberner Seite die Expansion des Französischen nach Biel ohne nennenswerten Widerstand toleriert wurde, während auf welscher Seite, damals übrigens „im Süden stärker als im Norden“ (Junker, S. 70), der Widerstand gegen die deutsche Sprache heftig geführt wurde und auch die deutschen Schulen der  Mennoniten angefeindet wurden. Der Vorwurf, dass diese Schulen teilweise aus Deutschland finanziert wurden, ist höchst ungerecht, da im Gegensatz zu den welschen Schulen in Biel weder die Gemeinden noch der Kanton die Kosten übernahmen.
Anderseits entfremdete sich der Kanton Bern in den Siebzigerjahren des 19. Jhs. großen Teilen der Bevölkerung des Nordjuras, die nicht nur französischsprachig, sondern auch katholisch waren. Zusammenfassend kann man sagen, dass der Kanton Bern bis über die Mitte des 20. Jahrhunderts hinaus keine kohärente Jurapolitik betrieb.
1947 wurde durch die Brüskierung des politisch gemäßigten Regierungsrates Georges Möckli, dem zugunsten von Samuel Brawand die Führung des Bau- und Eisenbahndepartementes verweigert wurde, im Jura die separatistische Bewegung entfesselt. Der Konflikt führte schließlich 1974 zur Abspaltung der Nordhälfte als Kanton Jura.
Wiederum waren, wie in der Zeit vor 1914, die Mennoniten die Opfer des Konfliktes. Auf Antrag des Comité de Moutier beschloss der Große Rat am 7. März 1949 zur Besänftigung der brüskierten Jurassier unter anderem „die Assimilation deutschsprechender Volksteile im Jura“. (Junker, S. 120) Das war ein bedenklicher Beschluss – angesichts der Tatsache, dass es nachweislich seit 400 Jahren eine deutschsprachige Bevölkerung auf dem Gebiete des Berner Juras gab.
Mittlerweile ist in allen noch bestehenden Schulen, die von Mennoniten gegründet wurden, das Französische als Schulsprache eingeführt worden. Es gilt der Lehrplan der französischen Schulen, eine gezielte Förderung der muttersprachlichen Fähigkeiten, besonders auch in der Standardsprache, ist nicht vorgesehen. Möglicherweise ist eine solche Förderung in Einzelfällen geschehen, dann aber auf persönliche Initiative der Lehrpersonen.
Bis vor kurzem bestanden noch einzelne deutschsprachige Schulen auf den Jurahöhen: Montbautier, Moron und Mont-Tramelan. Als letzte wurde jene von Mont-Tramelan vor einigen Jahren geschlossen. Die Nachricht warf in der Berner Presse keine Wellen, sie wurde vielmehr als Kuriosum behandelt und die ländliche Bevölkerung von Mont-Tramelan mit Asterix, Obelix und Miraculix verglichen. Man stelle sich vor, ein welsches Pendant wäre auf diese Weise lächerlich gemacht worden!
Es ist an der Zeit, dass der Kanton endlich so gut wie möglich das Unrecht, welches er dieser Glaubensgemeinschaft jahrhundertelang immer wieder angetan hat, wiedergutmacht. Das kann nur durch eine Anerkennung der angestammten deutschsprachigen Minderheit im Jura geschehen und durch wirksame Hilfe bei der Bewahrung ihrer angestammten Sprache. Da die Mennoniten heute zweisprachig sind, können sie zu der von der Regierung angestrebten Förderung der Zweisprachigkeit im Kanton Bern viel beitragen.  

Seehof und Schelten oder das Ende für deutschsprachige Schulen im Berner Jura!?
Landflucht und Geburtenrückgang brachten es mit sich, dass in den beiden Gemeinden Schelten und Seehof nur noch fünf oder sechs Kinder die Schule besuchten – zu wenig, um die Dorfschule weiterzuführen.
Welche Lösungen wurden den Gemeinden angeboten?
Die Kinder aus Seehof werden seit knapp fünf Jahren täglich im Schulbus nach Grandval geführt, wo sie den Unterricht auf Französisch besuchen müssen. Dass ihnen geholfen wird, ihr Hochdeutsch wie an einer deutschsprachigen Schule zu entwickeln und zu verbessern, muss bezweifelt werden. Die Gemeindebehörden waren da wohl aus Gutmütigkeit zu nachgiebig. Das scheint einem gängigen Muster zu entsprechen: Deutschschweizer geben nach, Welschschweizer beharren auf ihrer Sprache.
Für die Kinder aus Schelten bleiben seit Herbst 2018 Münchenstein, Mümliswil und Balsthal als neue Schulorte, was nun einen Schulweg von zwei bis drei Stunden täglich bedeutet.
Mit der Schule von Schelten ist die letzte deutschsprachige Schule im Jura geschlossen worden; das ist ein Verstoß gegen das sog. Territorialitätsprinzip, welches sonst gerne angerufen wird, wenn es um das Entgegenkommen gegenüber einer deutschsprachigen Minderheit geht.
Die Sprachenpolitik des Kantons Bern im Jura ist unannehmbar. Deshalb sind in dieser Stellungnahme mögliche Lösungen aufgezeigt worden, jedenfalls ansatzweise. Die Deutsch- und Welschberner sind einander in der Regel wohlgesinnt, sie sind auch in ihrer Mentalität recht ähnlich. Deshalb ist der gegenseitige Respekt zu wahren und das Bewusstsein der Zusammengehörigkeit zu fördern. Dazu gehört auch, dass die Minderheit in der Minderheit, also die deutsch- und zweisprachige Bevölkerung im Berner Jura, wahrgenommen und anerkannt wird, ihre Rechte hat  und ihre Sprache und Eigenart bewahren kann.

KANTON JURA
Auf die Verhältnisse im Kanton Jura kann hier nur skizzenhaft eingegangen werden.
Der Kanton bietet seit einigen Jahren deutschsprachigen Familien eine Filière bilingue in Delsberg an. Das ist ein pragmatischer Schritt, aber auch ein einigermaßen erstaunlicher Beitrag des Kantons zum Sprachfrieden. Es ist zu hoffen, dass auch in Pruntrut eine Filiale eröffnet wird, damit der Kanton einigermaßen mit diesem Angebot abgedeckt wird. Sinnvoll wäre auch ein Angebot in den Gemeinden Mettembert, Ederswiler und Soyhières. 
Das Verhältnis von Deutsch zu Französisch ist 1:2; besser wäre ein ausgeglichenes Verhältnis, da die Ortssprache gewöhnlich ohnehin die stärkere Sprache wird als die Familiensprache.
Der Kanton Jura bietet in Zusammenarbeit mit dem Kanton Basel-Landschaft eine zweisprachige Gymnasialausbildung, die dann zu einer zweisprachigen Matura führt.
Weniger erfreulich gestaltet sich die Entwicklung in Ederswiler, welches seinerzeit gegen seinen Willen im Kanton Jura zurückgehalten wurde.
FORDERUNGEN
Die Gemeinde Ederswiler hat Anspruch darauf, dass ihre Jugend in einer deutschsprachigen Schule unterrichtet wird. Das entspricht dem Besitzstand beim seinerzeitigen Kantonswechsel. Der gegenwärtige Zustand ist unzulässig und rechtlich letztlich unhaltbar.
Denkbar ist auch eine Kompromisslösung:
1. Zweisprachiger Unterricht in Mettembert (Mettemberg) und Soyhières (Saugern), an welchem sowohl die Kinder von Ederswiler als auch jene von Mettembert teilnehmen sowie ein Teil der Kinder aus Soyhières, welches übrigens auch einen mindestens ursprünglich deutschsprachigen Weiler und deutschsprachige Höfe umfasst.

QUELLEN
Die Angaben zu Situation und Geschichte der deutschsprachigen Bevölkerung im Berner Jura sind abgesehen von persönlichen Recherchen und allgemeinen Nachschlagewerken vor allem folgenden Quellen entnommen worden.

Presse
Die Demontage der letzten deutschsprachigen Gemeindeschulen im Berner Jura und im Kanton Jura hat in der Presse nur ein spärliches Echo gefunden.
Ederswiler
Das kleine Elsass im Kanton Jura
https://www.nzz.ch/das_kleine_elsass_im_kanton_jura-1.13583605
NZZ 10.12.2011
Mont-Tramelan
https://www.bernerzeitung.ch/region/seeland-jura/in-mont-tramelan-geht-der-zaubertrank-zu-ende/story/12352522.
Berner Zeitung 5.7.2013 
Schelten
Die Berner Gemeinde, die nur über die Kantone Solothurn und Jura zu erreichen ist
https://www.solothurnerzeitung.ch/solothurn/kanton-solothurn/
die-berner-gemeinde-die-nur-ueber-die-kantone-solothurn-und-jura-zu-erreichen-ist-131249644#
Solothurner Zeitung 21.4.2017
Nur noch fünf Schüler: Die Gesamtschule steht kurz vor dem Aus
https://www.solothurnerzeitung.ch/solothurn/kanton-solothurn/
nur-noch-fuenf-schueler-die-gesamtschule-steht-kurz-vor-dem-aus-132429800
Solothurner Zeitung 13.4.2018
Seehof
https://www.bernerzeitung.ch/region/kanton-bern/kein-postauto-dafuer-ein-haushohes-ja-zum-tram/story/25058943

Geschichte, Sprachenrecht und Sprachpolitik
Aeberhard, Ad. Werden und 100 Jahre Bestehen der Deutschen Kirchgemeinde St. Immertal.
Steffisburg und Bern (1943).
Gerber, Abraham. Die Deutschschweizer im Berner Jura.
Berner ZS für Geschichte und Heimatkunde. Band 31 (1969), S. 75-84.
http://doi.org/10.5169/seals-245075
Kurz, Gottlieb. Die Anfänge der dt.-ref. Kirchgemeinde des Berner Jura im 19. Jh.
Berner ZS für Geschichte und Heimatkunde. Band 31 (1969)
http://doi.org/10.5169/seals-245075
Michel, Hans A. Einige Dokumente zur Geschichte der deutschen Sprache um (sic!) Fürstbistum Basel und im Berner Jura. Berner ZS für Geschichte und Heimatkunde,
Band 31 (1969), 99-104. http://doi.org/10.5169/seals-245078
Junker, Beat. Geschichte des Kantons Bern seit 1798, Band III: Tradition und Aufbruch 1181-1995.
Bern 1996.
Chiffelle, Frédéric. L’Arc jurassien romand à la frontière des langues: Faut-il craindre la germanisation?
Lausanne (Payot) 2000.
Loosli, Theo. Auf den Spuren meines Lebens. Norderstedt (Books on Demand GmbH) 2005.
Richter, Dagmar. Sprachenordnung und Minderheitenschutz im schweizerischen Bundesstaat:
Relativität des Sprachenrechts und des Sprachfriedens. Berlin, Heidelberg, New York (Springer) 2005.
Werlen, Iwar. Der zweisprachige Kanton Bern. Bern (Haupt) 2005.
Bericht der Expertenkommission über die Zweisprachigkeit:
Schlussbericht zuhanden des Regierungsrates des Kantons Bern. 30. August 2018
https://www.rr.be.ch/etc/designs/gr/media.cdwsbinary.RRDOKUMENTE.acq/
d32e50514ae5452886d13d4af008b722-332/1/PDF/2015.STA.23640-Beilage-D-174837.pdf
(November 2018)

Mundarten im Jura:  Beschreibung, Bestand, Sprachgeographie
1. Frankoprovenzalisch
Im Gegensatz zum Kanton Jura sind die Patois des Berner Juras vor einigen Jahrzehnten ausgestorben.
Keller, O. Eine sterbende Mundart: Romont-Plagne. (Berner Jura). Vox Romanica, Bd. 2 (1937), S. 394-446.
https://www.nzz.ch/schweiz/das-langsame-verschwinden-des-patois-1.18373425
NZZ 30.8.2014
http://www.lebendige-traditionen.ch/traditionen/00151/index.html?lang=de
2. Deutsch
Siebenhaar, Beat (2004): Die deutschen Sprachinseln auf den Jurahöhen der französischsprachigen Schweiz.
In: Zeitschrift für Dialektologie und Linguistik 71, 180-212. 
Konferenz der Mennoniten in der Schweiz:  menno.ch

Bern, den 28. Mai 2019
Sprachkreis Deutsch / Bubenberg-Gesellschaft Bern
R. Wyß-Wolf
sprachen.be

 

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