Maria Lauber 1891–1973, bedeutende OberlŠnder Schriftstellerin
von Urs KŸffer
Persšnliche Erinnerung
Maria Lauber. Ein Name, der im Berner
Oberland, vorab in Frutigen, wieder vermehrt beachtet wird. Mehrere TontrŠger mit
Werken der Frutiger EhrenbŸrgerin sind in den letzten Jahren erschienen,
besprochen von Luise Schranz-Hari
aus Achseten.
Die Archivierung
des literarischen Nachlasses der langjŠhrigen Lehrerin von Kien wird im Rahmen der
Kulturgutstiftung Frutigland aktualisiert.
Damit wird die Aufbauarbeit eines
Jakob Aellig (Adelboden)
und eines Erich Blatter (UniversitŠt Bern) fortgesetzt. Der
Grabstein der 1973 verstorbenen
Dichterin wird demnŠchst zur Kirche
hin verlegt und erhalten.
Hier soll nun nicht das Werk ins Zentrum
gerŸckt werden, es soll mit einem persšnlichen Bild an
den Menschen Maria Lauber erinnert werden.
,,Si
isch e chly e stolzi gsy!Ò, sagte mir, dem Neffen und Patenkind
von Maria Lauber, kŸrzlich
eine Frau, als wir auf die
Dichterin zu sprechen kamen.
Ich erschrak. Derartigen Urteilen Ÿber eine distanzierte Maria Lauber war ich zwar
schon frŸher begegnet, aber nie in
dieser direkten Form. Ich begann
meine Erinnerungen zu prŸfen. Mehrere Szenen und Bilder tauchten auf. Sie
wiesen auf eine andere Seite der Maria Lauber.
Ein Bild hat sich mir besonders eingeprŠgt:
Winklen. Eine kleine dunkle Stube. Maria
Lauber, die in Frutigen eine Stellvertretung Ÿbernommen hat, sitzt mir ge-
genŸber. Sie scheint mŸde, ja erschšpft.
Das
Schulehalten fŠllt ihr zunehmend schwer. Ein Burnout, wie man heute sagen
wŸrde, hat sie, die engagierte Lehrerin, zur
vorzeitigen Pensionierung gezwungen.
Jetzt reicht die Kraft nur noch fŸr kurze
EinsŠtze als Stellvertreterin.
Im Augenblick
wirkt ihre Gestalt klein, wie in sich
eingebrochen, so, als wŸnschte ihr Kšrper, zu jener Gestalt zurŸckzukehren,
die ihm als Kind eigen gewesen
war. Kindsein, das war jener Zustand, in den sich Maria Lauber so oft zurŸcksehnte. Das zeigt sich in ihrer
autobiographischen ErzŠhlung ,,ChŸngoldÒ. Der Wunsch nach Geborgenheit,
Liebe, Zuversicht. Der Wunsch, ganz im Augenblick leben zu kšnnen, sich an kleinen Dingen - der Natur, des
hŠuslichen Alltags - zu erfreuen .
Der Wunsch, sich friedlichen TrŠumen zu ergeben, ohne die ,,EngschteÒ - Einsamkeit, SŸnden- vorwŸrfe, Gedanken an Krankheit
und Tod -, welche sie als
Erwachsene so oft heimsuchen sollten.
Plštzlich aber verŠndert sich ihre Gestalt, ihr Gesicht. Ihr eingesunkener
Kšrper scheint zu wachsen, ihr Gesicht wird hell und freundlich. Wach und klar blikken Ihre Augen. Ihre warme Stimme fŸllt
den Raum, ihre HŠnde heben und senken sich sanft, begleiten ihre ErzŠhlung.
Hier kein Abschnitt, anschliessen!
Sie erzŠhlt mir die Sage von der
Rengglialp. Was ich noch erinnere: Im Mittelpunkt stehen eine Alp, ein Sturm, ein Vater, der flucht und verflucht, und zwei
Liebende. Der Liebhaber, ein Senn, stŸrzt in einen Abgrund, seinem Vieh nach,
das in Panik geraten ist; die liebende Frau bleibt zerrŸttet zurŸck, allein mit
dem Fluch ihres Vaters.
Vieles ist in dieser ErzŠhlung versammelt, was Maria Lauber bewegte. Die massgebende Bedeutung der Ver- gangenheit;
die Schicksalshaftigkeit der Familie; Gršsse und Schrecken der Bergwelt. Darin eingebettet die letzten Dinge unseres Menschseins: Geburt, Liebe, Leid und
Tod. Sie schaut mich aufmerksam an, eine weisshaarige Frau, die Ÿber so
viele existenzielle Dinge Bescheid weiss, ohne besserwisserisch zu sein.
Eine fesseln- de ErzŠhlerin in mŸndlichem
Wort und Schrift.
,,E stolzi Frou?Ò Oder eher eine, die ihr
verletzliches inneres schŸtzen musste vor den zunehmend hektischen Zugriffen
der Moderne. Ein Mensch mit StŠrken und SchwŠchen, gewiss, aber stets respektvoll gegenŸber anderen
Menschen. Und demŸtig einer Macht gegenŸber, die
gršsser ist als wir Menschen.
Das Berner Oberland, denke ich, darf stolz
sein auf eine ihrer bedeutendsten
Schriftstellerinnen - und auf einen feinfŸhligen Menschen, der sich manchmal
hinter einer rauhen Schale verbarg.
Der
Sprachkreis Deutsch hat die Entstehung des Werks Ÿber Jah- re verfolgt und zu seiner Her- ausgabe einen we s e nt l i che n
Finanzbeitrag geleistet.
Brienzerdeutsches Wšrterbuch Helene Schild,
Walter Boss ISBN 3-033-00830, CHF. 38.-
Zu beziehen im Buchhandel oder bei Thomann Druck AG Museumsstrasse 23, 3855 Brienz
Tel. 033 952 14 00, Fax 033 952
14 01
info@thomann
druck. ch