Johann Christoph Adelung zum 200. Todestag

(10. September 2006)

 

 

 


(gf) Der Titel ãUmstŠndliches Lehr- gebŠude der Deutschen Sprache zur Er- lŠuterung der  Deutschen  Sprachlehre fŸr SchulenÒ hat sicherlich bei jedem Germanistikstudenten der jŸngeren Zeit unwillkŸrlich Schmunzeln hervorgeru- fen. Schuld an der Belustigung ist aber nicht Adelungs Titelwahl, sondern der Sprachwandel:  umstŠndlich   bedeute- te frŸher ãausfŸhrlich (viele UmstŠnde einbeziehend) ã, und ãumstŠndlichÒ in diesem Sinne ist das Werk wahrhaftig, denn der erste Band umfa§t  884  und der zweite 798 Seiten, es hat also ins- gesamt 1682 Seiten. Genauso seltsam klingt in unserem Ohren der Name des Werkes, das fŸr uns Sprachpfleger wohl noch  grš§ere  Bedeutung  besitzt  als das

ãUmstŠndliche LehrgebŠudeÒ, nŠmlich das ãGrammatisch-kritische Wšrterbuch der hochdeutschen MundartÒ. Das Hoch- deutsche eine Mundart zu nennen ist uns


fremd geworden. Das Wšrterbuch ist zwar nicht ohne VorlŠufer (z. B. K. Stie- ler), aber das erste seiner Art und von un- schŠtzbarer Bedeutung fŸr die Sprachge- schichtsforschung. Es war zu seiner Zeit vorbildlich, auch Goethe benŸtzte es (und wŸrdigte den Sprachforscher sogar eines Besuches). Da§ Adelung ein bedeutender Mann war, zeigt allein die Tatsache, da§ seine ãDeutsche SprachlehreÒ 1782 fŸr die Schulen in …sterreich als vorbildlich vorgeschrieben wurde -und das trotz der Vorbehalte der Oberdeutschen gegen das von Adelung als nachahmenswert vorge- schlagene Mitteldeutsch. Sein Stilbuch ist bedeutsam (ã†ber den deutschen StylÒ, 1785), es war das erste gro§e Werk Ÿber deutsche Stilistik.

 

Warum ist Adelung heute nicht so bekannt wie andere Sprachforscher? (In der ,,DDRÒ war er Ÿbrigens  angesehener


als in der BRD, wohl weil sich die Kom- munisten in Verkennung der Tatsachen als Nachfolger der deutschen AufklŠrer vorkamen.) Er stand zwischen den Zeiten. Er gehšrte zu den AufklŠrern, er war kein Rationalist, sondern die ãSinnlichkeitÒ ist die Grundlage seiner Forschungen, er war also Sensualist; er meinte, da§ alle Er- kenntnis aus den Empfindungen stamme. Er war jedoch zu spŠt geboren, um fŸr die AufklŠrung noch erfindungsreich zu sein und war andererseits noch kein Teil der Romantiker. Diese, beispielsweise E. T.

A. Hoffmann, machten sich Ÿber den ver- zopften AufklŠrer lustig, und so ist sein Ruhm bald geschwunden. Die berŸhmten Sprachwissenschafter, wie Jacob Grimm und Wilhelm von Humboldt, bauten aber stillschweigend auf den Voraussetzungen auf, die er in beharrlichem Flei§ geschaf- fen hatte. Seine Arbeitsamkeit ist in der Tat beachtlich. Er sa§ tŠglich bis zu vier-


 


zehn Stunden an seinem Schreibtisch und gab mehr als hundert Schriften heraus. Selbst in seinem Todesjahr arbeitete er noch an einem gewaltigen Vorhaben, dem

,,MithridatesÒ, in dem er das Vaterunser in fŸnf hundert Sprachen herausgab und Sprachvergleiche anstellte (als Etymolo- gen kšnnen wir ihn allerdings leider nicht ernst nehmen. Da die indogermanistische Sprachvergleichung erst im 19. Jh. auf- kam [auch darin war er benachteiligt], ist seine etymologische Arbeit vorwissen- schaftlich).

 

Geboren wurde er in Spantekow bei Anklam in Pommern am  8.  8.  1732,  er

starb am 10. 9. 1806 in Dresden. Von sei- nem Leben ist wenig bekannt. Er verdingte sich durch die Arbeit als Bibliothekar und die Mitarbeit und Herausgabe von Zeit- schriften und verfa§te grammatische und kulturgeschichtliche Werke aller Art in aufklŠrerischem Geist (darunter auch eine Geschichte der Germanen; da§ er sie als

ãWildeÒ bezeichnete, nahmen ihm die Ro- mantiker Ÿbel), aber auch Schriften Ÿber Metallurgie, Mineralogie und Schiffarten. Wichtig fŸr uns Sprachpfleger ist, da§ er fŸr die Einheit der Schriftsprache eintrat (dem dient sein ãVersuch eines vollstŠndi- gen grammatisch-kritischen Wšrterbuchs


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

der hochdeutschen MundartÒ in fŸnf BŠn- den, 1774-1786), auf dem obersŠchsischen Sprachgebrauch aufbauend.

 

Das Wort Sprachgebrauch ist Ÿber- haupt ein wesentlicher Begriff fŸr seine Arbeit. Zwar wollte er in seinem Wšrter- buch die deutsche Sprache nicht nur be- schreiben, sondern auch verfeinern, und nimmt  daher  Wšrter  ,,pšbelhaften Ge-


brauchsÒ nicht oder nur ausnahmsweise auf (ihm ist die Sprache der gehobenen Schichten lieber), aber als grŸndlicher Mensch hat er dennoch fast den gesamten deutschen Wortschatz behandelt. Er teilte die Wšrter in fŸnf Gruppen ein, nach ih- rer ãWŸrdeÒ (wir wŸrden heute Stilebene sagen). Im Gegensatz zu Klopstock, der eine phonetische Rechtschreibung auf der Grundlage der Aussprache norddeutscher Schauspieler wollte, geht Adelung vom Sprachgebrauch (hier kšnnte man auch von Schreibgebrauch sprechen) aus und nimmt die ostmitteldeutsche Aussprache als Grundlage. Er wollte also nicht wie Klopstock eine einschneidende Recht- schreibreform, sondern eine Festigung, auf dem Bestehenden aufbauend. Die Geschichte hat ihm recht gegeben.

 

In seinem Buch ãVollstŠndige An- weisung zur deutschen OrthographieÒ schreibt Adelung dazu: Ò[Orthographie wie Sprache sind im Volk verwurzelt] Daher strŠubet sich jedes Volk von Natur so sehr gegen blo§ willkŸrliche VerŠnde- rungen in der Sprache ...Ò. Dazu bemerkt Walter Dengler, der eines der wenigen BŸcher Ÿber Adelung geschrieben hat (s. u.) auf S. 243, Fu§n. 1075: ãEs sei erinnert an die jŸngst im deutschen  Sprachgebiet


 


durchgefŸhrte Orthographiereform und das Mi§trauen, welches derselben fak- tisch, in der Bevšlkerung, wie bei einigen ma§geblichen Schriftstellern, begegnete.Ò 1901 entschieden sich die Rechtschreibre- former und -vereinheitlicher fŸr die Ade- lungsche Regelung der Schreibung von §und ss (also § an der Wort-und Silben- grenze, auch wenn es nach kurzen Selbst- lauten steht, z. B. in mŸ§te und Mi§stand); die jetzige Rechtschreibreform ist jedoch zur Heyseschen Regel zurŸckgeschritten (mŸsste, Missstand).

 

Da der Sprachgebrauch ihm so wich- tig war, wandte er sich auch im Gegensatz zu Campe, den er bekŠmpft, nicht gegen die Fremdwšrter und versuchte nicht, sie zu verdeutschen; deswegen haben sich auch die Sprachpfleger nie so recht fŸr ihn erwŠrmen kšnnen. Er findet lateini- sche und altgriechische Wšrter sehr ge- eignet fŸr die Bildung wissenschaftlicher AusdrŸcke, weil deren Bedeutung schon dunkel geworden ist. Mit dieser Auffas- sung werden wir uns schwerlich anfreun- den kšnnen, weil wir fŸr durchsichtige, durchschaubare Wšrter eintreten! Er wen- det sich gegen Neuwšrter, und zwar die, welche seit Lessing vor allem von geniali- schen Dichtern geschaffen  wurden.


In den WSB wurde Adelungs Wšr- terbuch oft angefŸhrt; aufschlu§reich ist, da§ er verhŠltnismЧig viele deutsche Wšrter als kaum mehr gebraucht oder bereits ausgestorben bezeichnet, die uns heute vollkommen gelŠufig sind.

 

Vgl. das Wort Beginn; Adelung sagt dazu: ãist veraltet und wird zuweilen nur noch von der erhabenen Schreibart im Andenken erhalten.Ò Zu abseits schreibt Adelung: ãim Hochdeutschen veraltetes Nebenwort des Ortes.Ò Dies ist nicht das einzige Wort, das durch den (Fu§ball)Sport wieder zu Ehren gekommen ist. Zu Speer sagt Adelung 1780: ãEhedem wurden auch Spie§e Speere genannt. Jetzt kommt es in dieser Bedeutung, im Hochdeutschen we- nig mehr vor, in dem Spie§, Lanze u. s. w. Ÿblicher sind.Ò

 

Hier  zeigen  das  deutschfreundliche

19. Jh. und die Sprachpflege ihre Aus- wirkungen. Viele der fast ausgestorbenen Wšrter wurden von Goethe und Schiller wiederbelebt, ein Verdienst, das heute nur Kennern  bekannt ist.


Wer mit Adelungs ãWšrterbuch der Hochdeutschen MundartÒ arbeiten will, dem sei die CDROM empfohlen, die es in der ãDigitalen BibliothekÒ, Band 40 gibt.

 

Wer sich nŠher mit Adelung beschŠf- tigen mšchte, dem seien folgende BŸcher, die in ihrer Bibliographie weitere For- schungsliteratur  angeben, empfohlen:

 

Dengler, Walter: Johann Christoph Adelungs Sprachkonzeption.

Peter Lang: Frankfurt am Main usw. 2003 (= EuropŠische Hochschulschriften. Reihe I: Deutsche Sprache und Literatur. Bd. 1866)

 

Strohbach, Margrit: Johann Christoph Adelung. Ein Beitrag zu seinem germani- stischen Schaffen mit einer Bibliographie seines Gesamtwerkes. Walter de Gruyter: Berlin, Neu York 1984 (= Studia Lingui- stica Germanica 21, hg. v. Stefan Sonde- regger)

[gf WSB 2/06 ]


 


Johann Christoph Adelung (1732–1806): Sein Wšrterbuch

 

(gf)Adelungs Wšrterbuch zeigt uns den Zustand der deutschen Sprache in der zweiten HŠlte des 18.Jh.s. und ist daher fŸr die Sprachpflege von unschŠtzbarem Werte.

 

Wir haben schon letztes Mal erwŠhnt, da§ Johann Christoph Adelungs Wšrter- buch eine gute Quelle fŸr Sprachpfleger ist.  In  Mehls  ausgezeichnetem  Aufsatz

ãNeugemŸnztes GoldÒ wurde gezeigt, da§ man alten deutschen Wšrtern wieder Leben einhauchen kann, indem anhand von Adelungs Wšrterbuch (und anderen Belegen) aufgezeigt wurde, da§ Wšrter, die bereits veraltet waren, heute quickle- bendig sind. Wir kšnnen den Aufsatz hier nicht abdrucken, aber fŸr die Leser, wel- che die alten Hefte nicht mehr besitzen, seien hier nur die Wšrter aufgezŠhlt, fŸr die Adelung als GewŠhrsmann benutzt wurde (in AnfŸhrungszeichen die an- gefŸhrte Anmerkung Adelungs):  abseits

ãim Hochdeutschen veraltetes Nebenwort des OrtesÒ; All ãAllein dieses Hauptwort gehšret unter diejenigen, welche man mit allem Rechte hat veralten lassen und es hat feinen Ohren immer nicht ertrŠglich


klingen wollen, so sehr auch neuere Dich- ter es besonders in dem Begriffe der Welt wieder zu Ehren zu bringen gesucht.Ò; Barren ãein mehrentheils veraltetes Wort, so eigentlich einen langen, aber schma- len und dŸnnen Kšrper bedeutetÒ; Bedarf

ãein mehrentheils veraltetes Hauptwort, so nur noch in Kanzelleyen Ÿblich istÒ; Beginn ãist veraltet und wird zuweilen nur noch von der erhabenen Schreibart im Andenken erhaltenÒ; beginnen ãVer- altet und nur erst seit kurzem von eini- gen Neuerem ohne Noth wieder heraus- gesucht worden, indem âanfangenÔ den Begriff ebenso gut und weit verstŠndiger ausdrŸcktÒ (nicht aus dem Wšrterbuch, sondern aus ãUmstŠndliches LehrgebŠude

...Ò); behagen ,,grš§tentheils veraltetÒ; Be- rater ãEin in der guten Schreibart lŠngst veraltetes Wort, einen Helfer, Versorger auszudrucken, welches bey den Dichtern des vorigen Jahrhunderts hŠufig vor- kommt.Ò Brauch ãveraltet und durch das zusammengesetzte âGebrauchÔ verdrŠn- get. Nur wird es noch zuweilen von den Dichtern im Andenken erhaltenÒ; einen, einigen (Adelung will es durch vereini- gen ersetzen); empfŠnglich ãwieder Ÿb- lichÒ (Lutherwort, das zwischenzeitlich fast ausgestorben war);fortan ãnur im Oberdeutschen   und   NiedersŠchsischen


Ÿblich, in der edlen Schreibart der Hoch- deutschen unbekanntÒ; hausen ãwenig mehr gebrauchtÒ; hehr ãvšllig veraltetÒ; Heim ãein wenigstens im Hochdeut- schen všllig veraltetes HauptwortÒ; hei- misch ãim Hochdeutschen unbekannt, im Oberdeutschen aber noch gangbarÒ; hš- fisch ãim Hochdeutschen unbekannt, im Oberdeutschen aber noch gangbarÒ; Im- bi§Ò ein nur in den gemeinen Mundarten Ober- und Niederdeutschlands Ÿbliches WortÒ; jŸngst ãallgemein bekanntÒ (war 1741 von Frisch noch als veraltet bezeich- net worden); kreisen ãnur noch im Berg- bau und bei den JŠgern.Ò; lŠssig ãIn dem gemeinen Sprachgebrauche des Hoch- deutschen ist ,lŠssigÔ ebenso ungewšhn- lich geworden wie âla§Ô. Man braucht es noch am hŠufigsten in der anstŠndigen Schreibart fŸr das hŠrtere und niedrigere

âfaulÔ.Ò; lugen ãim Hochdeutschen unbe- kannt, aber in einigen oberdeutschen Ge- genden Ÿblich.Ò; Obmann ,,grš§tentheils veraltetes WortÒ; Pfad ,,nur in der edleren und hšheren Schreibart gebrauchtÒ; Rie- ge ãdas hochdeutsche âReiheÔ nach der niederdeutschen Aussprache welche in Luthers †bersetzung mehrmals (20mal nach Kluge) vorkommt, der anstŠndigen hochdeutschen Schreibart aber fremd ist.Ò; RŸge ãein altes, im  Hochdeutschen


 


grš§tentheils veraltetes Wort, welches so wie alle seine Zusammensetzungen und Ableitungen nur noch hin und wieder in den Gerichten und in der gerichtlichen Sprachart vorkommt.Ò.

 

Satzung ãIm ganzen veraltet. Man braucht es nur noch in einigen engeren FŠllen.Ò; schŠdigen ãnur noch in dem zusammengesetzten âbeschŠdigenÔ ge- brauchtÒ;   solcherlei   ãveraltetÒ; spŠhen

ãIn dem gemeinen Sprachgebrauche der Hochdeutschen ist es veraltet, bis es in neueren Zeiten wieder von einigen in der dichterischen Schreibart gebraucht wor- denÒ; Speer ãEhedem wurden auch die Spie§e Speere genannt. Jetzt kommt es  in dieser Bedeutung im Hochdeutschen wenig  mehr  vor,  in  dem  Spie§, Lanze

u.s.w. Ÿblicher sind.Ò; staunen ãein altes deutsches Wort, welches fŸr sich allein im Hochdeutschen veraltet ist, im Ober- deutschen aber gangbar geblieben. Nach dem Beyspiele Hallers und einiger ande- rer neuerer schweitzerischer Schriftsteller ist es auch von einigen Hochdeutschen in die hšhere Schreibart wieder  eingefŸh- ret worden, da man es bisher in dieser Mundart [Hochdeutsch!] nur in dem zu- sammengesetzten âErstaunenÔ kannte.Ò; vergeuden ãim Hochdeutschen veraltetÒ;


weilen ãfŸr sich allein veraltet, und nur  in âverweilenÔ (Ÿblich)Ò; Widersacher ãIn dem gewšhnlichen Sprachgebrauche ver- altet und ist nur noch in der Theologie und dem Kanzelstyle so wohl von dem Teufel, als auch von den Feinden der Christen, unter den Menschen Ÿblich, in welchen beyden Bedeutungen es in der Deutschen Bibel hŠufig ist.Ò; Wonne ãman hatte das Wort im Hochdeutschen grš§ten  The- ils veralten lassen ... allein die neueren Schriftsteller haben es ohne Noth wider in den Gang gebracht, indem es bei seinem dunkelen Baue wenig mehr sagen kann als Freude, dieses Wort auch noch nichts von seiner WŸrde verlohren hat, da§ man es nšthig hŠtte, es durch ein anderes zu ersetzen.Ò; zeihen ãwenig gebrŠuchlich, daher nur hin und wieder in der hšheren Schreibart gebraucht.Ò

 

Das sind aber nur einige  Beispiele fŸr Wšrter, die Adelung als veraltet be- zeichnet, die uns heute jedoch gelŠufig sind. Leider sind einige seit Abfassung des Aufsatzes (1971, Mehl benutzte da- fŸr ein Buch aus dem Jahre 1933) wieder ziemlich altertŸmlich wie zeihen, andere wie abseits sind Šu§erst lebendig, beson- ders zuzeiten von Fu§ballereignissen, andere  wie  lŠssig  werden  gerade durch


das Denglische verdrŠngt (cool). Der Auf- satz zeigt uns jedenfalls, da§ die Spra- chentwicklung dem Willen des Menschen unterliegt. Heute haben wir die Wahl, sie selbst zu pflegen, wie die Mitglieder des Vereins ãMutterspracheÒ es tun, oder sie von Werbefirmen und Multinationalen Konzernen entwickeln zu lassen (vgl. Coca Cola: ãltÔs your Heimspiel.Ò). Der Aufsatz zeigt uns zudem, wie wichtig das Adelungsche Wšrterbuch ist. Woher wŸ§- ten wir sonst, wie die angefŸhrten Wšr- ter in der zweiten HŠlfte des achtzehnten Jahrhunderts klangen?

 

Adelungs Wšrterbuch (ÒVersuch ei- nes vollstŠndigen grammatisch-kritischen Wšrterbuchs der hochdeutschen Mund- artÒ, 5 BŠnde, 1774-86) ist Ÿberhaupt bahnbrechend. Erstens gab es kaum deutsche WšrterbŸcher vor seinem, und zweitens waren diejenigen, die es gab, anders aufgebaut als seines. Kaspar Stie- lers Wšrterbuch verzeichnete, das ist an- zuerkennen, den Wortschatz seiner Zeit (ÒDer Teutschen Sprache Stammbaum und Fortwachs oder Teutscher Sprach- schatzÒ, 1691), aber es ist nicht so benut- zerfreundlich wie das Adelungs, weil es nicht nach dem Abc geordnet ist, sondern nach Ableitungen; so mu§ man alle Wšr-


 


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

ter mit Zug unter Zug suchen, bei Adelung ist z.B. Verzug unter V zu finden. Sehen wir uns den Eintrag fŸr Abgeschiedenheit (oben das Original, natŸrlich in Fraktur) an:

Die Abgeschiedenheit, plur. inus. [die Mehrzahl ist unŸblich] 1) Der Zustand der Absonderung von einer Sache, im mora- lischen Verstande. Die friedliche Abge- schiedenheit von der Welt, in den Klš- stern; da denn auch wohl ein hoher Grad der Einsamkeit mit diesem Nahmen belegt wird. 2) Bey den Mystikern, der Zustand der UnterdrŸckung aller Empfindungen und ihres Bewu§tseyns, mit einem  Grie-


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

chischen Kunstworte, die Apathie; sonst auch die Abgezogenheit.

Wie s٤ ist doch ein freyer Wandel, In voller Abgezogenheit, Arnold.

 

Die ErlŠuterungen sehen schon sehr modern aus. Adelung zeigt, da§ es ver- schiedene Bedeutungen gibt, erklŠrt die Bedeutungen, bringt uns diese durch Beispiele nahe und zeigt uns bedeutungs- Šhnliche Wšrter. Wenn mšglich, werden Redensarten und Sprichwšrter mit dem besprochenen Wort angegeben, Verwand- te aus germanischen Sprachen genannt (beispielsweise schwedisch Aftonmal un-


ter ãAbendmahlÒ) und Beispiele aus der Literatur angefŸhrt. Er bespricht auch die Angaben  anderer Sprachwissenschafter.

 

Wie gesagt, gibt es noch viele andere EintrŠge mit der Bemerkung ãveraltetÒ, die uns nicht veraltet vorkommen, so sind

z. B. abhold (jemandem abhold sein), Ab- kšmmling, abkriegen (klingt umgangs- sprachlich, ist aber in der Wendung er hat etwas abgekriegt ãeinen Teil bekommen, Schaden abbekommenÒ hŠufig), achtbar (Adelung: ãein Wort, welches nur noch in den gro§en Theils auch schon veralteten Titeln achtbar, gro§achtbar, hochachtbar, und vorachtbar gebraucht wirdÒ) und er- kunden (Òein im Hochdeutschen veral- tetes WortÒ) noch lebendig. Der Abort wird heute nicht als ãabgelegener OrtÒ verstanden, sondern als BedŸrfnisanstalt. Zu dem heute wieder beliebteren Ade teilt uns Adelung mit (das Sternchen * steht fŸr

ãveraltetÒ): Ò* Ade, ein aus dem franzšsi- schen ˆ Dieu verderbtes Abschiedswort, fŸr Lebe wohl! dessen sich die Dichter des vorigen Jahrhunderts oft zu bedienen pflegten.  Ade!  Weld   Ade!  Gryph[iusl.

- Nun Ade ihr Feldgšttinnen, / Nun Ade du grŸne Lust! Opitz. Und das bekannte Lied: Welt Ade! ich bin dein mŸde. Die Neuern haben zwar dieses  verstŸmmelte


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Wort mit allem Rechte veralten lassen, aber dafŸr ist noch im gemeinen Leben das nicht viel bessere adje Ÿblich.Ò

Andere EinschŠtzungen teilen wir noch heute, z.B. da§ das Wort abtrŸn- nig von dem ãlŠngst veraltetenÒ Haupt- wort Trunn abstammt. Bei Wšrtern wie dem schwierig zu schreibenden Conter- fŠt sind wir froh, da§ es verschwunden bleibt. Ausgestorben sind bis heute z.B. der AchseltrŠger (ÒHeuchlerÒ), die Bunge

 (mit vielen Bedeutungen, z.B. Fischreu- se), butt ist uns nur mehr als Hauptwort der Butt bekannt (flacher Fisch; ist von butt ãgrobÒ abgeleitet), dingflŸchtig (Òden Gerichten entflohenÒ), ehs (Òe§barÒ, bei BŠckern), erfallen (Òzu Tode fallenÒ) oder das Fenn (Òein sumpfiges StŸck LandÒ, vgl. engl. fen). Manchmal ist nur ein Teil- gehalt des Wortes veraltet, z.B. bei der Golf die Bedeutung ãSchlundÒ, wŠhrend die von ãMeerbusenÒ auch heute noch gelŠufig ist. Andere sind z.T. in verschie- denen Gebieten noch gebrŠuchlich, z.B. BŸhel ãHŸgelÒ in oberdeutschen Mund- arten. Es erstaunt uns, da§ der (und die) Buhle schon damals veraltet waren. Be- suchern der Salzburger Festspiele ist die Buhlschaft in Hugo von  Hoffmannsthals

ãJedermannÒ bekannt.

 

Wir sehen, da§ es jede Menge deut- schen Wortschatz gibt, der brachliegt und nur darauf wartet, von uns wiederbelebt zu werden, anstatt da§ wir stets das Ame- rikanische nachahmen und denglische AusdrŸcke daraus bilden. Vorbild sind uns die IslŠnder, die oft jahrelang daran arbeiten, einen Ausdruck aus ihrer Litera- tur fŸr eine neue Erscheinung zu finden. [gf WSB 3/06 ]     n

Dr. Gottfried Fischer, Schriftleiter der Wiener SprachblŠtter , Zeitschrift fŸr gutes Deutsch. Her- ausgeber: Verein ÒMutterspracheÓ Wien, grš§ter Sprachpflegeverein  …sterreichs.

Goetz.Fischer@univie.ac.at